Projekt 17: Monster-Ausbau von Havel und Spree verhindert

Für den heftig umstrittenen Ausbau der Berliner Wasserstraßen haben die Bundes-Wasserbehörden ihre Pläne deutlich abgespeckt. Das ist für die Hauptstadt mit ihren Flüssen Havel und Spree eine wunderbare Nachricht, sagt der Spandauer SPD-Abgeordnete und Umweltexperte Daniel Buchholz.

Die ursprünglichen Pläne für das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17“ stammen von Anfang der 1990er Jahre. Damals träumte man von gewaltigen Güterströmen auf den Wasserwegen, die sich jedoch nie realisierten.

Seit 15 Jahren engagiert sich der Spandauer SPD-Abgeordnete und Umweltexperte Daniel Buchholz intensiv für eine natur- und stadtverträgliche Gestaltung von Havel und Spree. „Der ursprünglich vorgesehene Ausbau der Wasserwege von und nach Berlin wäre weit über den Bedarf hinausgegangen. Mindestens 1.000 Bäume hätten gefällt und wertvolle Uferbereiche für Pflanzen und Tiere abgebaggert werden müssen. Ein durchgehender Ufergrünzug mit einem Wander- und Radweg am Nordufer der Spree wäre unmöglich geworden. Bürger, Umweltverbände und das Berliner Landesparlament haben die alten Pläne zu recht massiv kritisiert.“

Abgeordnetenhaus einstimmig gegen Millionenverschwendung – bis auf einige CDU-Abgeordnete

Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte sich als einziges Landesparlament im Juli 2008 klar gegen die drohende Millionenverschwendung beim Projekt 17 ausgesprochen. Der von Daniel Buchholz formulierte Antrag wurde in breitem Konsens beschlossen, allerdings haben ihm u.a. die drei Spandauer CDU-Abgeordneten nicht zugestimmt – trotz gegenteiliger Beschlüsse im Bezirksparlament!

Das alte Planfeststellungsverfahren wurde komplett gestoppt. Jetzt hat das Wasserstraßen-Neubauamt das Verfahren neu gestartet und schlägt nur noch einen Teilausbau mit eingeschränktem Begegnungsverkehr der Binnenschiffe vor. Geplante Ausgaben (netto): 48 Millionen Euro. Bürger, Verbände und Landesbehörden können sich bis zur endgültigen Entscheidung 2017 umfassend einbringen.

Buchholz: „Jetzt sollen anstatt 1.000 nur noch 89 Bäume gefällt werden. An Havel und Spree entstehen auf drei Kilometer Länge wertvolle begrünte Flachwasserzonen, vorher waren nur 350 Meter vorgesehen. Bei den Tiefwerder Wiesen sinkt der Wasserspiegel lediglich um 2 statt vormals 8 Zentimeter. Die wunderbare Nachricht hat aber einen Haken: Das sog. Spandauer Horn, wo die Spree in die Havel mündet, soll weiterhin abgebaggert werden. Die vergrößerte Kurve sei zwingend notwendig für ‚abbiegende‘ Güterschiffe, argumentiert die Planungsbehörde.“

Kohle-Binnenschiff in Schleuse Spandau

 

Hintergrund-Infos Stand 2008

Wäre alles nach Plan verlaufen, dann hätte Gerhard Schröder im Sommer 2002 feierlich die Vollendung des Projekts 17 verkünden können. Nach zehn Jahren Bauzeit wären die Wasserstrassen zwischen Hannover und Berlin ausgebaut und voller Binnenschiffe gewesen. Doch es kam anders. Nicht erst seit der Flutkatastrophe an Elbe und Donau im Jahr 2002 wurden die kritischen Stimmen unüberhörbar und forderten ein Ende der Baumaßnahmen. Birgt ein weiterer Ausbau in Berlin zu viele Risiken, oder ist er eine echte Chance für den Wirtschaftsverkehr per Schiff?

Anfang der 90er Jahre herrschte Aufbruchstimmung. Die Bundesregierung unter Helmut Kohl beschloss 1992 einen Verkehrswegeplan, der insgesamt 17 „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ vorsah: 9 Bahn- und 7 Straßenverbindungen sowie genau eine „Wasserstrasse“ für die Binnenschifffahrt. Das Projekt 17, die Wasserstraße, wurde mit gut 4,5 Milliarden Mark veranschlagt und sollte eine Anpassung an den westdeutschen Standard bringen. Die blühenden Landschaften und Industrien in den neuen Bundesländern sollten über Flüsse und Kanäle mit mindestens 55 Meter Breite (in Kurven 75 m) und 4 m Tiefe mit Gütern versorgt werden. Freie Fahrt für bis zu 185 m lange Schubverbände in West-Ost-Richtung war das Ziel.

Fünfzehn Jahre später ist von der Anfangseuphorie in den Neuen Ländern und Berlin wenig geblieben. Die Wirtschaft hat sich nicht wie erwartet entwickelt. Und auch das Projekt 17 wurde mehrfach umgeplant und abgespeckt, so dass mehrere Bauabschnitte noch bevor stehen. Rund die Hälfte der vorgesehenen 2,3 Milliarden Euro sind inzwischen verbaut und haben spürbare Verbesserungen für den Verkehr der Binnenschiffe gebracht. Kritiker vor allem aus den Umweltverbänden bemängelten schon 1992 den viel zu hoch veranschlagten Bedarf und die ökologischen Folgen des Ausbaus. Sie befürchten die Zerstörung eines Großteils der im ostdeutschen Raum verbliebenen natürlichen Flussauen.

Binnenschiffer und Schwerlast-Industrie sind selbstverständlich von Beginn an glühende Unterstützer des Projekts 17. Während die anderen Verkehrsträger umfassend ausgebaut wurden, sehen sie sich weiter benachteiligt, müssten Umwege fahren und könnten nicht die wirtschaftlichen Vorteile eines durchgehenden zweilagigen Containerverkehrs nutzen. Dies führe zu Wettbewerbsverzerrungen und mache den Schiffstransport im Vergleich zur Strasse viel zu teuer.

Bei einem objektiven Blick auf die Planzahlen aus dem Jahr 1992 zeigt sich aber, dass der Bedarf für Transporte per Binnenschiff damals deutlich zu hoch angesetzt war. Mitunter erreichen wir heute nur ein Drittel bis ein Viertel des damals prognostizierten Güteraufkommens auf den ostdeutschen Wasserwegen! Das hat vielfache Gründe:
– den faktischen Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie
– sinkende Bevölkerungszahlen
– Massenguttransporte (Kohle, Öl, Metalle, Erze, Baumaterial) sind eher im Abnehmen
– die Bautätigkeiten im zentralen Berliner Bereich sind weitgehend abgeschlossen
– die Binnenschifffahrt ist schlecht an die sich wandelnden Bedarfe des Verkehrsmarktes angepasst.

Der letzte Punkt gilt bundesweit als Problem für die Binnenschiffer. Wir entwickeln uns zu einer Dienstleistungsgesellschaft, die deutlich weniger Bedarf am Transport von Massengütern hat. Heutige Waren sind individualisierter und „schnelllebiger“. Moderne Logistikkonzepte sehen eine Anlieferung „just in time“ (zeitgenau zum Verbrauch) vor. Das Binnenschiff ist bei diesen Entwicklungen leider oftmals nicht konkurrenzfähig und zwangsläufig der Verlierer, allenfalls die Bahn kann hier mit dem LKW mithalten. So ist es kein Wunder, dass sich der Anteil der Binnenschifffahrt am Güterfernverkehr in den letzten 50 Jahren stetig verringert hat, während der LKW seinen Anteil auf mehr als Zweidrittel erhöhen konnte.

Die Bedarfsprognose wurde um die Jahrtausendwende neu erstellt und deutlich nach unten korrigiert. Trotzdem wird an den Baumaßnahmen für das Projekt 17 festgehalten.

Spandau LuftbildUnd was hat das alles mit Berlin zu tun? Die Planungen für das Projekt 17 beinhalteten ursprünglich zwei Ausbauwege in Berlin, die bei Potsdam am Jungfernsee beginnen: Die sog. Nordtrasse über die Havel Richtung Norden und die Spree zum Westhafen. Und die sog. Südtrasse über die Schleuse Kleinmachnow und den Teltowkanal bis zum Osthafen. Von der Südtrasse hat sich zumindest der Senat schon 2002 verabschiedet. Es wurde ein überarbeitetes Hafenkonzept vorgelegt, bei dem man sich jetzt auf 8 anstatt 15 Hafenstandorte in Berlin festlegte. Allein das notwendige Anheben der vielen Brücken über den Teltowkanal hätte Unsummen verschlungen, die angesichts des geringen Bedarfs wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen gewesen wäre. Auch die Wasserschifffahrts-Verwaltung hat den Bau der Südtrasse daher bis auf weiteres zurückgestellt.

Bleibt also die Nordtrasse. Seit der ersten Planauslegung im Jahr 2002, die vom Hochwasser und der Wasserrahmenrichtlinie des Bundes weggespült wurde, hat sich einiges getan. Die Fertigstellung der Trogbrücke bei Magdeburg („Wasserstraßenkreuz“) im Jahr 2003 ermöglicht eine durchgehende Befahrbarkeit bis Berlin. Die Schleuse Charlottenburg ist komplett neu gebaut worden und kann Schiffe bis 110 Meter Länge aufnehmen. Großmotorgüterschiffe mit bis zu 2,2 Meter Abladetiefe können ihre Container zum Westhafen transportieren, und das sogar zweilagig. Jetzt sollen noch Spree und Havel für den „Gegenverkehr“ der 185 Meter langen Schubverbände ausgebaut werden – ein echter Bedarf dafür darf bezweifelt werden. Das nicht benötigte Geld sollte lieber für die dringend notwendige Sanierung des maroden Landwehrkanals ausgegeben werden.

Wie schon 2002 konnten in 2007 die (inzwischen überarbeiteten) Planungen durch Bürger, die betroffenen Verwaltungen und Verbände eingesehen werden. Die Kritik ist durchweg vernichtend ausgefallen. Geplant ist weiterhin, die „Nase“ an der Mündung der Spree in die Havel (südlich der Strasse Am Juliusturm) komplett abzutragen und mehr als 1.000 Bäume zwecks Flussverbreiterung in Spandau und Charlottenburg zu fällen.